Bewegung und Denken

Motorik und Kognition

 

Ein Kind, das keinen Kreis laufen kann, kann auch keinen denken.

 

Und wenn es keinen denken kann, dann kann es auch keinen zeichnen oder schreiben.

"Wir denken mit dem Gehirn und nicht mit dem Körper."

Diese Aussage würden wohl die meisten Menschen ohne langem Überlegen unterschreiben.

Wissenschafter wie Laien. Und das seit Jahrhunderten. In den 60er Jahren wurde diese Ansicht durch die Entwicklung der Computertechnik noch verstärkt. Computersysteme bestehen bekanntermaßen aus Hard- und Software. Dieses Konzept bildet scheinbar die menschliche Funktionsweise ab. In den späten 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts begannen Forscher an diesem Ansatz zu zweifeln.

Das Gehirn bildet Erfahrungen nach, um die Welt zu verstehen.

Wie aber gelangen die Erfahrungen in das Gehirn?

Natürlich über den Körper.

"Der Körper ist die einzige Verbindung zwischen Geist und Außenwelt."

Siri Carpenter

Genauso, wie feste Nahrung in den Körper gelangen muss, um das Energiesystem aufrecht zu erhalten, müssen körperliche Erfahrungen gemacht werden, damit Denkvorgänge im Gehirn überhaupt möglich sind. Jede Verbindung kann aber gut oder schlecht sein. Eine gute Verbindung lässt viele Impulse passieren, eine schlechte wenige. Das bedeutet, je effizienter ein Körper verwendet wird, desto mehr Nahrung wird für das Gehirn geliefert. Je bewusster jemand seinen Körper einsetzten kann - und dafür ist Sport natürlich das beste Beispiel - desto besser ist die Verbindung zwischen Gehirn und Außenwelt und desto besser werden die erbrachten Leistungen sein.

Wir wurden alle als Körper geboren.

Unsere ersten Erfahrungen waren rein körperlicher Natur: Hunger, Kälte, Sättigung, Wärme, Nähe, Geborgenheit oder Einsamkeit. Sehr schnell werden für einen Säugling aus diesen elementaren Wahrnehmungen Konzepte wie Zuneigung, Fürsorge oder Vernachlässigung und Zurückweisung. Das Gehirn bildet die Erfahrungen nach und verarbeitet sie weiter.

Nun denkt der Mensch.

"Es gibt nicht nur ein Sportlerherz, sondern auch ein Sportlerhirn."

"Bewegung fördert Gehirnprozesse, indem sie auf die Struktur und Funktionsweise des Gehirns einwirkt. Durch den Sport trainiert man also nicht nur den Körper, sondern auch die Anpassungsfähigkeit und somit die Plastizität des Gehirns."

Laura Walk

Laura Walk spricht hier allerdings einen sehr wichtigen Punkt an: Die Bewegung schafft zwar die Voraussetzung für effiziente Denkvorgänge, füllt das Gehirn allerdings nicht mit Inhalten. Diese müssen separat bereitgestellt werden. Das bedeutet, dass ein Kind genügend Inhalte geboten bekommen muss, um das effizient arbeitende Gehirn auch zu beschäftigen und weiter zu entwickeln. Körperliche Betätigung alleine ist zu wenig.

Nicht jeder Profifußballer ist zwangsläufig nobelpreisverdächtig.

Das Gehirn ist durch körperliche Betätigung in der Lage, sehr effizient zu denken und sich an neue Situationen schnell anzupassen, also schnell zu lernen. Es darf allerdings nicht verabsäumt werden, auch genügend Material zum Lernen bereitzustellen. Es ist wichtig, in einem Kind bereits früh die verschiedensten Interessen zu wecken und es mit möglichst viel Neuem zu konfrontieren, unter anderem auch mit Fremdsprachen, um diese Gehirnkapazität nicht brach liegen zu lassen. Denn in diesem Fall würde sich das Gehirn wieder an das niedrige Niveau der Aktivität gewöhnen und der positive Effekt würde im Sand verlaufen.

Nur was ein Mensch körperlich erfahren hat, kann er auch denken.

Deshalb sind möglichst viele körperliche Erfahrungen notwendig, um das Denken mit jener Nahrung zu versorgen die es fr das notwendige Wachstum braucht. Ein Kind läuft schnell oder langsam. Es trifft ein Ziel mit einem Ball oder nicht. Es ist der erste im Ziel oder der letzte. Es bemüht sich Erster zu sein und schafft es. Oder nicht. All das sind Erfahrungen, die das Denken mit Nahrung versorgen und in weiterer Folge zu komplexen Denkvorgängen befähigen.

Denken ohne Körper ist unmöglich.

Der Körper ist sogar der erste und beste Verbündete, wenn es um die Entwicklung geistiger Fähigkeiten geht. Also verdient er es auch, dementsprechend gefördert und gefordert zu werden. Deshalb verwenden wir in den BEAT!-Kursen 50% der Zeit für die körperliche Betätigung. Dieses Konzept halbiert nicht die Effizienz eines Lernvorganges, sondern verdoppelt sie. Sie ist in keiner Weise eine verlorene Zeit, sondern die Basis für effizientes Arbeiten.

Der Körper steckt die Grenzen ab, innerhalb derer das Denken überhaupt möglich ist und gibt bestimmte Muster vor.

So haben Studien gezeigt, dass fließende Bewegungen den Ideenfluss und die Kreativität offensichtlich fördern, Die US-Psychologen Michael Slepian und Nalini Ambady haben dies 2012 nachgewiesen. Ein weiterer Beispiel - eigentlich fast schon ein Beweis für die Gültigkeit dieser These - ist ein alter Trick, den sehr erfahrene Verhandlungsleiter anwenden, wenn die Positionen zu sehr festgefahren sind und sich nichts mehr zu bewegen scheint.

Um Bewegung in die Sache zu bringen, bewegen sie die Kontrahenten körperlich. Falls es die Umgebung zulässt, ist ein kleiner gemeinsamer Spaziergang ideal. Es reicht aber manchmal schon, für eine kleine Pause in den Nebenraum zu gehen. Jeder nimmt dadurch buchstäblich eine andere Position ein und so manche festgefahrene Verhandlung bekam dadurch eine andere, erfolgsversprechende und lösungsorientierte Richtung.

Wir nutzen den Körper auch als Hilfsmittel zum Denken.

Für fast alle Kinder dieser Welt sind die Finger die erste Rechenmaschine. Kinder mit einem sehr ausgeprägten Körpergefühl in den Fingern haben in der Schule Vorteile beim Rechnen. Das haben Studien - wenig überraschend- gezeigt.

Ein Gehirn, in dem möglichst viele Zentren aktiviert sind, arbeitet wesentlich effizienter als eines, in dem nur wenige Zentren aktiv sind.

Und schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass ein Gehirn, in dem möglichst viele Zentren aktiviert sind, also die Zentren für Wahrnehmung, Erinnerung, Handeln, Sprache und Bewegung wesentlich effizienter arbeiten als eines, in dem nur wenige Zentren aktiv sind. Eine breite Handlungsbasis führt wesentlich sicherer und angenehmer zum Erfolg als eine sehr eingeschränkte, auf eine einzige Aktivität fokussierte Handlung. Wer rund um die Uhr verbissen ausschließlich Mathematik paukt ist sicher nicht so erfolgreich wie jemand, der dazwischen spazieren geht, etwas liest, ein Spiel spielt oder Sport macht. Der Hausverstand sagt uns, dass das so ist. Man muss nur darauf achten, dass man auch im größten Leistungsdruck nicht darauf vergisst, dass manchmal weniger mehr ist.